SPLIT BRAIN 1.0 - WO IST JETZT

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:14.september bis 02.oktober
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:KUNST IM WMF
INSTALLATIONEN VON ROTRAUT PAPE + VISOMAT INC
AUF DER WMF FREIFLÄCHE
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:ERÖFFNUNG
DONNERSTAG 14.september 21:30 UHR
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:Split Brain 1.0
ROTRAUT PAPE
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:interaktive Installation für 1 bis 2 Personen
interactive support by Bigot/Couty
MRTs by Heyer
erstellt mit Mitteln des 2. Marler Video-Installationspreises 2000
(Skulpturenmuseum Glaskasten)
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:Durch die eigene Körperbewegung (Infrarot-Bewegungsmelder) werden
Kernspintomographie-Schnitte durch einen männlichen und einen
weiblichen Kopf aus dem Computer abgerufen und nebeneinander auf
zwei Leinwände projeziert.
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:Stern des Unwissens
VISOMAT INC.
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:eine 360° rundum-echtzeit-video-installation
montiert auf recycletes environment der bar des palastes der repulik
von F.R.E.d.rubin
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(_)(_)(_|_______|_______) WMF
Ziegelstraße 23
_ _ _ _ _ _ _____ 10117 Berlin
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http://www.wmf-club.de

Technologie der Verkennung
von Aram Lintzel 18.09.2000

Installationen von Rotraut Pape und visomat inc. im Berliner WMF-Club (14. September - 2. Oktober 2000)

Im Innenhof des Berliner WMF-Club [0] treffen derzeit zwei Medienkunst-Generationen aufeinander. Während Rotraut Pape sich seit den 70er Jahren durch ihre experimentellen Video-Arbeiten einen Namen gemacht hat, ist die Gruppe visomat inc. [1] erst in den 90ern in Erscheinung getreten.

Längst aber haben die Live-Visuals und Installationen des Visomat-Teams einen festen Platz im Berliner Nachtleben. Kennzeichnend ist ihr Einsatz von altertümlichen Monitoren, die sie auch für ihre aktuelle Medienarchitektur "Stern des Unwissens" benutzen. Die Arbeit steht noch bis zum 2. Oktober auf der Freifläche des WMF neben Rotraut Papes Kernspin-Projektion "SplitBrain 1.0". Die Kombination der beiden Arbeiten macht Sinn und das nicht nur, weil durch Papes Mitarbeit bei der Fernsehreihe "Lost in Music" die gemeinsame Schnittfläche Pop- und Clubkultur gegeben ist. Die Beziehung zwischen den ausgestellten Medienarchitekturen ist weitaus spezifischer: Beide thematisieren das Wissen, das uns technologische Beobachtungssysteme versprechen.

Rotraut Papes interaktive Installation "SplitBrain 1.0" suggeriert zunächst Evidenz. Man sieht die Kernspintomografien eines männlichen und eines weiblichen Kopfes, die vom Betrachter via Infrarot-Bewegungsmelder aus dem Computer abgerufen werden. Die gesampelten Bilder, die hier parallel auf zwei Leinwände projiziert werden, scheinen den präzisesten Grad der Visualisierung darzustellen. Fragen erübrigen sich: so sieht also das menschliche Gehirn aus, man sieht, was den Menschen im Innersten zusammenhält - den Kern seiner Existenz. Schließlich basiert die Kernspintomografie, für die sich Pape seit einigen Jahren interessiert [2], auf den Reaktionen von Atomkernen auf magnetische Felder und ermsglicht so den genauesten Blick in den menschlichen Ksrper.

Jedoch: Welchen Status haben diese Bilder eigentlich? Oder anders gefragt: Was zeigen sie nicht? Es sind solche Zweifel, die sich nach ausführlicher Betrachtung von "SplitBrain 1.0" unweigerlich einstellen. Denn hinter den beiden pulsierenden, sich in permanenter Metamorphose befindlichen Gehirnmassen erscheinen allerlei kulturelle Zeichen: animierte Figuren, virtuelle Räume und bekannte Idole (unter anderem sind Jimi Hendrix und Sid Vicious zu sehen). Zugleich werden sonderbare Sprachfetzen hsrbar, die alle mit der Formulierung "Ich erinnere mich an..." beginnen. Dieses fulminante Signifikantengeschwirr verweist auf ein Wissen jenseits der techno-biologischen Beobachtung. Was der Sezierung des menschlichen Ksrpers (und in einem aktuelleren Sinne den modernen Biotechnologien) offenbar entgeht, ist die ganze Komplexität des Kulturwesens Mensch. Je länger man den Blick auf das Seiten- und Hintergrundgeschehen von "SplitBrain 1.0" verlagert, desto mehr lsst sich die eingangs versprochene Evidenz der Bilder auf - ihre keiner Erklärung bedürftige Präzision wird zur Farce. Ganz offensichtlich lässt sich der Mensch als isoliertes und im wahrsten Sinne des Wortes atomisiertes Wesen nicht hinreichend begreifen.

Auch bei der Medienarchitektur von visomat inc. geht es um Beobachtung. "Der Stern des Unwissens" besteht aus drei Kameras und Monitoren, die sich gemeinsam in steter Geschwindigkeit drehen und das umliegende Geschehen observieren. Die "360 Grad Rundum-Echtzeit-Video-Installation" war bereits im Rahmen der WMF-Nacht auf der Expo [3] zu sehen und wurde nun auf der ehemaligen Rundbar des "Palastes der Republik" als eine Art Überwachungsdrehscheibe wieder aufgebaut. Anders als bei der Weltmesse, wo die altertümliche Low Tech-Arbeit zwischen all den Hochtechnologie-Exponaten wie ein Fremdksrper wirkte, korrespondiert sie im WMF hervorragend mit den diversen DDR-Second-Hand-Requisiten, deren prominenteste eben die im Hof gelegene Rundbar ist.

Auf den minimalistisch angeordneten Monitoren ist jeweils das gleiche Bild zu sehen, das nach kurzer Zeit durch das nächste abgelsst wird. Der "Stern" erzeugt so ein selbstreferentielles System, sozusagen ein "Monitoring" der sozialen Treibens. Eine zusammenhängende Geschichte wird nicht erzählt, die Spiegelung des Thekengeschehens wirkt seltsam sinnlos. Denn die Information auf den Bildschirmen ist ja nicht mehr als eine Wiederholung und zeitliche Dehnung des unmittelbar Beobachtbaren. Während derartige Überwachungsmonitore üblicherweise genauso wie ihre Benutzer versteckt und unsichtbar sind, rufen sie hier durch ihre aufdringliche Unverborgenheit eine geradezu tautologische Transparenz hervor. Der Titel "Stern des Unwissens" (als Gegenkonzept zum "Baum des Wissens" auf der Expo) unterstreicht dies.

Sowohl der elektronische Bilder-Zirkel von visomat inc. als auch Rotraut Papes Installation spielen mit den visuellen Evidenzstrategien, wie wir sie aus der Biotechnologie-Debatte aber auch vom Kosovo-Krieg kennen. Die eindeutigen Erkenntnisse, die einem die Technologien und Industrien des Visuellen versprechen, werden hier jedoch als Verkennungen entlarvt. Denn entweder blenden sie das Sozio-Kulturelle aus (wie Papes Arbeit zeigt) oder aber sie fabrizieren nichts anderes als eine hohle Redundanz. Oft genug spielt beides zusammen - siehe die fortlaufende Überwachung sozialer Räume,welche die vielfältigen Beweggründe sozialen Handelns eben nicht erfassen
kann, sondern lediglich oberflächliches Verhalten ins Visier nimmt. Beide Installationen führen somit zu ambivalenten Erkenntniseffekten; Papes Arbeitist dabei zweifellos komplexer, während die Installation von visomat inc.nicht zuletzt durch ihre minimalistische Ästhetik überzeugt.

Links

[0] http://www.wmf-club.de
[1] http://www.visomat.com
[2] http://www.is-kassel.de/dokfest/fest98/details/rotraut.html
[3]
http://www.expo2000.de/cgibin/db4web_c/ibis/sdocs/ev/docs/ev_index.mth?spr_id=2&ev_id=419323

Artikel-URL: http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/co/8750/1.html
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