POP ODYSSEE 2 - THE HOUSE OF THE RISING PUNK

1998; TV Collaboration
POP ODYSSEE 2 - THE HOUSE OF THE RISING PUNK
Turner&Tailor (Dreher)

The roots of Punk mit: Patti Smith, Lenny Kaye, Jim Jarmusch, Tom Verlaine, Richard Hell, Iggy Pop/The Stooges, Dee Dee Ramone/The Ramones, Danny Fields, Blondie, Legs McNeal, The New York Dolls, Hilly Kristal, The Velvet Underground, Allan Vega/Suicide, Jayne County, Thurston Moore/Sonic Youth, Amos Poe u.v.a.

"Man hat die verschiedensten Leute im CBGB's getroffen, und die Gespräche waren nicht auf Musik beschränkt. Hier konnte man mit Musikern über Filme reden und mit Schriftstellern über Musik." (Jim Jarmusch)

Das CBGB's war der Treffpunkt einer Szene von Künstlern wie Andy Warhol, Filmemachern wie Jim Jarmusch und einer neuen Generation von Musikern wie Patti Smith, Blondie und den Ramones, deren Musik sich gegen Hippietum, Stadionrock sowie das ganze Kultur-Establishment richtete. Der kleine, düstere Club in der New Yorker Bowery, den Richard Hell und Tom Verlaine 1973 entdeckten und zu Auftrittsort, Kreativzelle und Wohnzimmer umfunktionierten, wurde zu einem Forum für eigenwillige künstlerische und musikalische Experimente.
Der Dekadenz der Psychedelic-Ära setzte die CBGB's-Szene eine konträre Haltung entgegen, einen harten Realismus, rohe Energie und Aggressivität im musikalischen Ausdruck. Die praktizierte Verbindung von Kunst und Leben wurde prägend für den kreativen Aufbruch. Aus den Vorträgen poetischer Texte wurden musikalische Performances.
Diese musikalische Revolution war Vorbild für die britische Punk-Bewegung, durch die das Phänomen einer neuen Gegenkultur weltbekannt wurde.

POP ODYSSEE: „House of the Rising Punk“
Dokumentation, Deutschland 1998
Laufzeit: 59:30 min.
Regie und Buch: Christoph Dreher,
Realisation: Christoph Dreher und Rotraut Pape
Schnitt, Mastering: Rotraut Pape
Kamera: Horst Markgraf
Ton: Joachim Fleischacker
Grafik: Gérard Couty
Produzenten: Christoph Dreher und Rolf Wolkenstein
Redaktion: Christian Cloos und Claudia Tronnier / Das kleine Fernsehspiel / ZDF / quantum
Produktion: Turner&Tailor für ZDF / 3Sat.© 1998


THE RAMONES

Pop Odyssee „House of the Rising Punk“ ist nach „Die Beach Boys und der Satan“ der zweite Pilotfilm zu einer geplanten TV - Reihe über die Geschichte der Popkultur.
Der Autor und Regisseur Christoph Dreher, bekannt durch die mit dem Adolf - Grimme - Preis ausgezeichnete Musikdokumentationsreihe „Lost In Music“, führt die zweite Pop Odyssee in das „House of the Rising Punk“, einen kleinen Club in der Bowery, einem traditionell verrufenen Stadteil im südlichen Manhattan. Er trägt seit 25 Jahren den irritierenden Namen CBGB´s, kurz für Country, Bluegrass, Blues. Diese Musikrichtungen wollte der Clubgründer und bis heutige Besitzer des Clubs, Hilly Kristal, eigentlich in seiner gerade übernommenden Rockerkneipe spielen lassen, als ihn zwei junge Musiker ansprechen, die mit ihrer just gegründeten Band Television einen Auftrittsort suchen.

Es ist das Jahr `74: der Vietnamkrieg ist verloren, Watergate aufgedeckt worden, New York City bankrott. Rockmusik in Nordamerika ist zu dieser Zeit überwiegend MOR - Middle Of The Road: hohler Bombast im Stadionformat, gespielt von größenwahnsinnigen Koksern, die mit Limousinen und Privatjets von Konzert zu Konzert chauffiert werden und das Erbe der kreativen Explosion der Psychedelic Ara verjubeln. Selbst In New York City gibt es kaum Auftrittsmöglichkeiten für junge Bands, die eigenes Material spielen.

Als Hilly Kristal ein paar Gigs von Television am Wochende zustimmt, ahnt er nicht, daß er sich gerade als Geburtshelfer betätigt hat für ein Phänomen, das als Punk in die Geschichte eingehen wird.

DEBBIE HARRY

Innerhalb kurzer Zeit entwickelt sich das CBGB`s zum Zentrum einer Szene von Bands wie den Ramones, der Pattie Smith Group, den Talking Heads, Suicide oder Blondie, die durchaus unterschiedliche musikalische Stile verbinden mit einer gemeinsamen Ablehnung der dominierenden Hippie - Kultur.
Namensgebend und imagebildend wirkt das parallel entstandene Punk Magazine, eine Zeitung, deren Erscheinen auf Plakaten mit „Punk is coming!“ angekündigt wird. In Interviews und Fotogeschichten mit den Musikern der neuen Szene als Protagonisten formuliert sich ein Bild dieser Szene nach innen wie auch nach außen, über den Club hinaus.

Ein Teil der jungen Musiker wie Richard Hell und Tom Verlaine von Television und Patti Smith hatten schon vor ihren Bandgründungen ein Faible für Rebellen der französichen Literatur des 19. Jahrhunderts wie Rimbaud, Beaudelaire und Lautreamont. „Sie waren unsentimental, urban, grausam“ (Richard Hell), so wie auch gleichermaßen von ihnen geschätzte zeitgenössische Außenseiter der amerikanischen Literatur: William Burroughs und Beat - Autoren wie Kerouac und Ginsberg.

Sie hatten auch selbst zu schreiben begonnen, und insbesondere Patti Smith verfügt bereits über eine underground - Reputation als Poetin, bevor sie beginnt, ihren act zunemend zu musikalisieren und schließlich ihre Texte als Sängerin ihrer Band zu performen.

PATTI SMITH

Auch musikalisch gibt es eine Reihe von Vorbildern, die abseits von dem vorherrschenden Rockschmock und Gurugedöns der frühen 70er stehen. Besonders The Stooges aus Detroit mit ihrem Sänger Iggy Pop haben sich schon seit `69 mit ihrer neuartigen, maschinenhaften Musik und ihren wüsten Auftritten, bei denen der Sänger sich in Glasscherben oder Peanutbutter wälzt, bevor er sich ins Publikum stürzt - eine damals völlig unbekannte Verhaltensweise für einen Musiker -, bei all denen einen Namen gemacht, die ebenso ablehnend dem Mainstream gegenüberstehen.

In New York selbst gibt es die New York Dolls, die schnörkellosen Rock`n Roll im 3 - Minuten - Format im Transvestitenlook runterreissen und Songs über „Trash“ und „Pills“ bringen anstelle von „mountains blue“, „rivers clear“ und „horses free“. Ihre Themen wie ihre Performance schockieren das prüde Mittelamerika. Umso größer ist ihre Reputation in der sich entwickelnden New New Yorker Szene von Outsidern.

Die große Inspirationsquelle in New York sind seit den mittleren 60ern bereits Andy Warhol, seine Factory und die daraus hervorgegangenen Velvet Underground. Der Look (schwarze Sonnenbrillen und Lederjacken), die Posen (cool), die Haltungen (mach es selbst!, Sex, Drogen, Zynismus), die Kunst (Electric Chair, Verfielfältigung, Kommunikation, Pop Art), die Verbindung von Kunst und Leben sind Modelle für eine neue Generation von Künstlern, die im CBGB`s einen Ort der Begegnung finden.

Neben einer wachsenden Zahl von Bands gibt es angehende Fotografen, die beginnen, die Szene zu dokumentieren, oder Filmemacher wie Jim Jarmusch oder Amos Poe, die ihre ersten „Street Guerilla Filme“ (Jarmusch) machen, z.B. „Blank Generation“ von Amos Poe, eine Dokumentation über die frühe CBGB`s Szene
und ihre Bands.

Während in den USA selbst ein größerer Erfolg ausbleibt, sind einigen Bands wie die Ramones oder ein Richrd Hell musikalisch wie optisch stilbildend für einige sich gründende Bands in England wie die Sex Pistols oder The Clash, die schon bald darauf weltweit das Image von Punk prägen werden.

Die Sex Pistols bringen mit ihrer US - Tour 1978 Punk erstmalig auch in die amerikanische Provinz und auf die Titelseiten. Die am Ende der Tour erfolgende Selbstauflösung der Band, der Tod der Freundin und Managerin des Bassisten Sid Vicious, der unter Mordverdacht festgenommen wird, sowie dessen eigener Tod wenig später durch eine Überdosis Heroin sind allerdings alles andere als Garanten für Mainstreamkompatibilität.
Keine Plattenfirma ist scharf auf weitere finanzielle Desaster, im Radio läuft Punk sowieso nicht, und seit dem berüchtigten Auftritt der Sex Pistols im englischen Fernsehen ist auch dieser Bereich für Punks nur noch offen, wenn sie tot sind.

Ironischerweise markiert das Schicksal einer britischen Punkband auch das Ende der Ära im CBGB`s, wo alles begonnen hatte. Einige der Bands lösen sich auf, andere machen weiter, wobei sie, wie etwa Blondie, die mit Disco - Nummern in den 80ern weltweit sehr erfolgreich sind, mehr oder weniger erhebliche stilistische Entwicklungen durchmachen.

Kommerziell erfolgreich wird Punk in Amerika erst in den 90ern mit Bands wie Nirvana, deren Sound und Haltungen an die frühen Vorbilder anknüpft. Heute weltweit erfolgreiche Ikonen und role models wie die Simpsons, Al Bundy oder Beavis and Butthead wären nicht denkbar ohne Punk.

„Das Ding ist: du willst in Amerika nicht der erste sein, der mit irgendwas rauskommt. Denn in Amerika machst du als erster keine müde Mark.“ (Legs McNeil, Co - Produzent von Punk Magazine).
C.D.

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