ARTE-THEMENABEND "DIGITAL SPIRIT"

1998
ARTE-THEMENABEND "DIGITAL SPIRIT"
von Christoph Dreher und Turner & Tailor, Kathrin Brinkmann und Sabine Bubeck, ZDF- Das kleine Fernsehspiel
mit Beiträgen von: Rolf S. Wolkenstein, Heike Blümner, Christoph Dreher, Rotraut Pape, Gusztáv Hámos, Katja Pratschke
Grafische Linie: Gérard Couty, Trailergestaltung: Rotraut Pape, Gérard Couty

Willkommen in der "wired world", in der Welt der Computer und ihren digitalen Paradiesen!
In "Digital Spirit" klicken wir uns durch Internet-Websites und -Homepages, jammen mit "Mouse on Mars", fliegen durch den
3-D-Spielhimmel, begegnen virtuellen Geschöpfen und reisen mit einem Datendieb in die Welt der schwarzen Science Fiction. Kopieren ohne Qualitätsverlust sowie Flexibilität, Interaktivität und Schnelligkeit der Übertragungstechniken sind die heute wichtigsten Eigenschaften des Digitalen. Die digitalen Technologien haben unsere Kommunikations- und Wahrnehmungsformen einschneidend verändert. Der Themenabend erzählt Geschichten vom Digital Spirit, dem damit verbundenen Lebens-gefühl und fragt nach den Qualitäten und Grenzen des digitalen Prozesses und seinem Einfluß auf unsere Kultur.


Net.com
Kommunikation im Netz

Dokumentation, 30 min - Deutschland 1998
Buch und Regie: Rolf S. Wolkenstein und Heike Blümner
Kamera: R.S. Wolkenstein, Ton: Joachim Fleischacker, Schnitt: Dieter Jaufmann
Mit: Douglas Rushkoff, David Hudson, Mike Kuniavsky u.a.

Ob via E-Mail, Homepage, Website oder Chat - das Internet wird vor allem zum globalen Informationsaustausch, zur Kommunikation, genutzt. „Net.com„ präsentiert einige Beispiele avancierter Informationsanbieter im Netz. FEED ist eine New Yorker Website, die erfolgreich nach dem Prinzip Printmagazin, also über Text, funktioniert, deren Macher jedoch anderen Regeln als jenen der Zeitungsredakteure folgen müssen. HOTWIRED ist die berühmte Website aus dem Hause der Zeitschrift WIRED, die die Möglichkeiten des Internets für ihren Inhalt immer wieder neu erforscht und sich von purem Text inzwischen weit entfernt hat. PSEUDO, ein Zusammenschluß von verschiedenen Gruppen aus der subkulturellen Szene New Yorks, sendet regelmäßig Fernseh- und Radioshows über das Internet. Zusammen mit den Autoren Douglas Rushkoff und David Hudson und dem Interface-Designer Mike Kuniavsky erklären die Macher von FEED, HOTWIRED und PSEUDO die Auswirkungen, die das Medium Internet auf sämtliche ihm immanente Kommunikationsformen hat.


Arbeiter, Verräter und Königinnen
Das Digitale in der Musikproduktion

Dokumentation, 30 min, Deutschland 1998
Buch und Regie: Christoph Dreher
Kamera: Ralph Meiling, Chris Turner, Ton: Joachim Fleischacker
Schnitt: Rainer von Rottenburg

Mit: Mouse on Mars, Thomas Köner, Andreas Reble, Oval, Involving Systems

Der Einzug digitaler Möglichkeiten in der Musikproduktion hat in den letzten Jahren zu einschneidenden Änderungen im Umgang mit Musik sowohl auf Herstellerseite als auch bei den Rezipienten geführt. Während bis vor kurzem die Popsongs noch am Piano oder an der Gitarre erfunden und geschrieben wurden, legt die neue Technologie eine andere Verfahrensweise nahe: die des "Sampelns" und des "Jammens". Am Beispiel von drei Musikprojekten erkundet die Dokumentation von Christoph Dreher das neue Musikverständnis bezüglich Arbeits-und Produktionsweisen. Das Kölner Duo "Mouse on Mars" beschreibt die wechselseitige Befruchtung analoger und digitaler Prinzipien in ihrer unverwechselbaren Musik, in der sich "Arbeiter-, Verräter- und Königinnenklänge" ein Stelldichein geben. "Involving Systems" haben eine faszinierende interaktive Installation entwickelt, die musikalischen Laien die Möglichkeit bietet, völlig unbeschwert und ohne große technische Vorkenntnisse gemeinsam zu jammen. "Process" heißt die neue Software, die Markus Popp von der Gruppe "Oval" entwickelt hat. "Process" ist ein Autorensystem, mit dem man eigene Cds erzeugen kann. Beliebigen Cds lassen sich hiermit Samples entnehmen, die auf einfache Weise koordiniert und bearbeitet werden können mit dem Ziel, eigene Musik herzustellen. Denn laut Popp kann es nicht mehr darum gehen, immer wieder dem Musikbegriff selbst zuzuarbeiten, sondern die Bedingungen hinter dem Musikbegriff müssen transparent gemacht werden.


Real Virtuality
Clip, 10 min, Deutschland 1998
Buch, Regie, Schnitt: Rotraut Pape
Grafik: Gérard Couty, Kamera: Horst Markgraf, Ton: Joachim Fleischacker
Mit: Bazon Brock

Immer wieder ist die Rede davon, daß sich unsere Welt durch die Digitalisierung in ein Zeichengefüge verwandeln werde, indem es eigentlich nichts Reales mehr gibt... Wird die Realität wirklich virtualisiert? Was heißt überhaupt real im Unterschied zu virtuell? Und inwieweit ist nicht doch auch das Virtuelle real? Geht es bei der zunehmenden Digitalisierung möglicherweise um eine Jahrtausende alte Diskussion?
Die Künstlerin Rotraut Pape unternimmt einen Ausflug mit Professor Bazon Brock in die Welt der Zeichen und Imaginations-maschinen alter und neuer Götter- und Geisterreiche...


Digitale Paradiese
Interaktive Computerspiele der 3-D-Generation
Dokumentation, 30 min - Deutschland 1998
Buch und Regie: Christoph Dreher
Kamera: Gusztáv Hámos, Ton: Joachim Fleischacker, Schnitt: Ellen El Malki
Mit: Hudson Soft, Game Arts, Sega,"Bomberman", "Grandia", "Nights"

Eine neue Generation von Computerspielen in 3-D-Technik bietet seit kurzer Zeit neuartige Erfahrungen interaktiven Spielens und ist im Begriff, die Welt zu erobern. Zunehmend nutzen nicht nur Jugendliche diese Möglichkeiten, um in eine komplett virtuelle Welt einzutauchen, in der die Grenzen der Schwerkraft und die Begrenzung menschlicher Physis überwunden werden können. Japan ist neben den USA das Land, in dem die fortgeschrittensten Spiele hergestellt werden, die Starentwickler der japanischen Firmen Hudson Soft, Game Arts und Sega stellen interessante Beispiele der neuen 3-D-Technologie vor und erläutern die damit verbundenen Absichten, Möglich-keiten undProbleme. Eine Gruppe von Jugendlichen, die ihre Freizeit bevorzugt in den Spielzentren von Tokio verbringt, erzählt von der Faszination, die von Kampf, Action- und Fantasyspielen ausgeht und von der Rolle, die das Spielen in ihrem Leben einnimmt.


Natural Born Digital
Essay, 35 min, Deutschland 1998
Buch, Regie, Schnitt: Gusztáv Hámos und Katja Pratschke
Kamera: Gusztáv Hámos, Annette Heinisch

Mit: Kyoko Date, Yoshitaka Hori, Megan Jones, Sandy Stone, Stelarc u.v.a.

Die Stadt ist verdammt. Die Prinzessin ist tot. Unter den Rollenspielern herrscht Trauer und Verzweiflung. Ihre Stadt bleibt so lange verflucht, bis sie von einer neuen Prinzessin, die unter virtuellen Idolen gefunden werden muß, erlöst wird. Die Spielleitung wählt fünf Spieler aus, die Aufgabe zu lösen. Für das Abenteuer nehmen sie die Rolle virtueller Charaktere an, die sie mit den nötigen Fähigkeiten ausstatten: Beweglichkeit, Intuition, Magie. - Zur gleichen Zeit entsteht in Japan mit Kyoko Date das erste digitale Idol. Die rasante Entwicklung der 3-D-Graphik und Animationssoftware hat es möglich gemacht: Digitale Geschöpfe bevölkern die Medien und haben mit ihrer Popularität den altmodischen Stars aus dem wirklichen Leben den Rang abgelaufen... Kyoko Date lebt in einem perfekten virtuellen Körper, kann wunderschön tanzen, besitzt eine Persönlichkeit und sogar eine Biographie.

Der letzte Engel der Geschichte (Last Angel of History)
Essay, 45 min, England 1995
Buch und Regie: John Akomfrah und das Black Audio Film Collective
Mit: dem Daten-Dieb Eddie George, den Musikern George Clinton, Lee "Scratch" Perry, Sun Ra, Goldie und DJ Spookie, dem Astronauten Dr. Bernard Harris jr. , den Schriftstellern Greg Tate, Octavia Butler, Ismael Reed u.a.

Die Legende besagt, daß der schwarze Sänger und Gitarrist Robert Johnson in den 30er Jahren dem Teufel seine Seele verkaufte. Was Johnson für seine Seele bekam, war das Geheimis schwarzer Technologien, von der man heute weiß, daß sie der Blues ist. Der Blues zeugte den Jazz, den Soul, den Hiphop....
Etwa 200 Jahre später, irgendwann im 22. Jhd., verkauft ein Datendieb wiederum seine Seele, um herauszufinden, wie es um seine Zukunft bestellt ist. Ihm wird gesagt, daß er in die Vergangenheit, unsere Gegenwart, reisen solle, denn dort fände er den Schlüssel für die Zukunft der schwarzen Kultur. Die Reise des Datendiebs in unsere Gegenwart bildet die Rahmen-geschichte in "Der letzte Engel der Geschichte". Sie führt ihn zu herausragenden Persönlichkeiten der black community. Der Schriftsteller Greg Tate behauptet, daß Schwarze genau jene Entfremdung leben, die in den Science-Fiction-Romanen beschrieben wird. Musiker wie Lee Perry beim Reggae, George Clinton beim Funk, Sun Ra beim Jazz, Goldie beim Jungle setzen auf neue Technologien; sie sind unabhängig voneinander zu der Überzeugung gelangt, daß sie aus dem Weltraum stammen und daß ihre Zukunft im Weltraum liegt. Ihre Phantasien, Ikonographien und mythologischen Bilder kreisen um Raumfahrt, Science-Fiction und um neue Technologien wie das Internet.

(GESENDET am Dienstag, 28. April 1998)