LOST IN MUSIK 9 / ELECTRONIC JAM

1995, TV Collaboration
LOST IN MUSIK 9 / ELECTRONIC JAM
Turner&Tailor (Dreher)

mit: Air Liquide, Alec Empire, Aphex Twin, Atom Heart, Deep Space Network, Karl Heinz Stockhausen, Oval, Robert Gordon, Scanner, Source Records, Warp Records..

LOST IN MUSIC: Electronic Jam stellt eine neue Generation elektronischer Avantgardisten vor, die an der Musik des nächsten Jahrtausends arbeiten. Abseits des kommerzialisierten Techno- und Rave- Business stellen sie alle bisherigen Kompositions- und Produktionsweisen von Musik auf den Kopf. Auf einem Streifzug durch Deutschland und England trifft LOST IN MUSIC diese sperrigen Rebellen und beleuchtet ihre jeweiligen Theorien, Bildwelten und Dekonstruktionsweisen. LOST IN MUSIC: Electronic Jam ist eine Reise durch neue musikalische Welten und das visuell ungewöhnliche Portrait einer Bewegung in ständiger Bewegung. (CD)

LOST IN MUSIK 9 / ELECTRONIC JAM
Regie/ Buch Christoph Dreher
Realisation, Schnitt, Mastering Rotraut Pape
Grafik Gérard Couty
Kamera Chris Rowe, Rotraut Pape
Licht Patrick Rupprecht
Ton Joachim Fleischacker, Sofoklis Tasioulis
Mischung Christian Graupner
Musikalische Beratung Sascha Kösch
Produktionsleitung Susanne Ehlers
Redaktion Christian Cloos, Claudia Tronnier. Das kleine Fernsehspiel, ZDF/ arte
Produktion Turner & Tailor 1996

Battersea, London. Robin Rimbaud alias SCANNER baut ein obskures Empfangsgerät auf der Straße auf, mit dem er Telefongespräche von Handys und andere Funk- Kommunikation aufnimmt. In seinem Studio verarbeitet er diese Live- Sounds zusammen mit elektronischen Klängen zu eigenständigen Musikstücken. So wird Intimität zu Öffentlichkeit und Alltagsgeräusche werden zu Musik.

AIR LIQUIDE in Köln, verwenden alles, was Musik macht. Die Qualität eines Instruments liegt für sie in der Möglichkeit seines Mißbrauchs, der Vergewaltigung der Technik. Durch diesen Gebrauch gegen die vorgesehenen Verwendungszwecke entlocken sie den Geräten unvorhersehbare Klänge. Ingmar Walker und Cem Oral , die bisher mehr als 300 Platten veröffentlicht haben, verwandeln das gängige Technologieverständnis in eine Inflationskultur, die das Verständnis von Künstlern und Werk radikal verändert.

Fernsehausschnitte aus dem Jahr 1968 zeigen den Pionier elektronisch bearbeiteter Musik Karl Heinz Stockhausen hochkonzentriert bei seiner Arbeit. Er legte schon damals den Grundstein für eine Kultur der Verfremdung, die eine Musik hervorbringt, die über das Verständis von ihr hinausgehen kann.

David Moufang und Jonas Grossman vom Plattenlabel SOURCE RECORDS produzieren ihre Musik an der Schnittstelle zwischen digitaler und analoger Technik. Im idyllischen Heidelberg forschen sie nach funktionsloser, ungehörter Musik. Eines ihrer vielen Projekte gestalten sie zusammen mit Robert Gordon, dem Mitbegründer des schon legendären WARP Labels, in Sheffield

WARP veröffentlicht die kompromißlose Musik seiner Interpreten professionell und weltweit. U.a. die von Aphex Twin, dem wohl identitätslosesten Musiker der Welt ("Identität ist Langeweile"), dessen Klangskulpturen immer wieder aus elektronischer Musik etwas Humanes herausfiltern. Seine Musik ist abstrakt, sprachlos, man soll sie nicht zerreden.

Der Berliner Alec Empire, das Enfant Terrible der Technoszene, Minimalist, Multitalent und Popstar, erzählt von seiner Island Tour. Er ist ein radikaler Impressionist, der Stimmungen in einem ungeheuren Arbeitstempo musikalisch verwirklicht. Er ist gleichzeitig impulsiv und klar, wenn es um politische Statements geht. In ihm leben die alten Punkideale der Provokation und des Angriffs auf die Gesellschaft wieder auf.

In einem Wohnblock in Frankfurt sitzt Atom Heart an der Verwirklichung eines ästhetischen Traumes. Sein Studio ist so konzipiert, daß er auf eine komplett morphende, organische Musik hinarbeiten kann. Sein Ziel ist die Kommunikation der Maschinen untereinander. Sie sollen zu autonomen Zellen eines kybernetischen Ganzen werden.

Am Schluß das radikalste Konzept: Für Markus Popp und Sebastian Oschatz von OVAL, ist Musik nur noch ein Teil der digitalen Medien. Sie verstehen ihre Musik nicht mehr als etwas Hörbares, denn "was man hört ist nurmehr das Interface". Musik ist alles, was gerechnet werden kann, und ihre Komposition ist eher eine Koordination. Sie arbeiten an der Sabotage der Software, mit CD- Fragmenten bestehender musikalischer Elemente. Der Musiker, wenn es ihn noch gibt, ist Programmierer geworden. Und er macht doch Musik…